Seit seiner Geburt ist Simon Ollert gehörlos. Nur dank eines Hörgeräts kann er manche Geräusche wahrnehmen, wenn sie sehr laut sind. In der Schule wurde er deshalb manchmal ausgegrenzt, dann ging er nach draußen und kickte. Mit neun hängte er einen Wunschzettel an seine Zimmerwand:...
Seit seiner Geburt ist Simon Ollert gehörlos. Nur dank eines Hörgeräts kann er manche Geräusche wahrnehmen, wenn sie sehr laut sind. In der Schule wurde er deshalb manchmal ausgegrenzt, dann ging er nach draußen und kickte. Mit neun hängte er einen Wunschzettel an seine Zimmerwand: Er möchte Fußballprofi werden. Mit 16 zog Ollert nach München, um bei Unterhaching zu spielen und schaffte mit 17 Jahren das, wovon er seit seiner Kindheit geträumt hatte: Er unterschrieb trotz seiner Hörbeeinträchtigung einen Profivertrag.
Im Alltag kann Ollert sich durch Lippenlesen relativ normal unterhalten. Er nimmt aber erst Töne ab 100 Dezibel wahr. Das ist in etwa so laut wie eine Motorsäge. Differenzieren kann er die Geräusche nur schwerlich und lediglich dank modernster Hörgeräte. Deshalb vergleicht er seinen Höreindruck während eines Fußballspiels mit dem in einer Bahnhofshalle: Die lauten Geräusche verschwimmen.
Auf dem Platz kann Ollert weder die Rufe seiner Teamkameraden noch das Pfeifen des Schiedsrichters hören. So merkt er manchmal erst, dass ein Spiel vorbei ist, wenn er als einziger noch weiterläuft. Oft geht er vorher zum Schiri und erklärt die Situation, damit dieser auch weiß, wieso Ollert beispielsweise bei einem Abseitspfiff nicht reagiert. Die Koordination mit den Mitspielern hakt manchmal, alle müssen sich erst aufeinander einstellen. Ollert sieht aber auch die Vorteile seiner Behinderung: Er wird weniger durch die Geräuschkulisse abgelenkt und kann sich voll auf das Spiel fokussieren. Außerdem konzentriert der Profi sich auf seine anderen Sinne: Er spielt mehr mit den Augen und behält den Überblick. In seiner Position im Sturm muss er ohnehin schnell handeln und hat deshalb nur selten den Nachteil, Gegenspieler, die sich hinter ihm befinden, nicht wahrzunehmen.
Seit mehreren Jahren setzt sich Ollert Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen aus der Bundesliga und seiner Schulzeit besonders für Inklusion ein. So gründete er 2019 den ersten inklusiven Fußballverein Münchens, den IFC Munich United, um zu zeigen, dass eine gute Mannschaft auch aus Spielern mit Beeinträchtigung bestehen kann.
Im Januar dieses Jahres hat Ollert das Ende seiner Profikarriere bekanntgegeben. Ab sofort wird er sich verstärkt der Förderung und Entwicklung neuer Talente und Mannschaften widmen – und hat dazu bereits seinen ersten Trainerjob beim SSV Pfeffenhausen angetreten.